Vor dem Jahr 2014 musste man für die Nutzung der Seen des leipziger Neuseenlandes durch motorbetriebene Boote eine extra Genehmigung beantragen. Jedwede Form von windbetriebener Sportart war hingegen vollkommen genehmigungsfrei. Mittlerweile kann man in bestimmten Bereiche von der gegenteiligen Situation sprechen.
Im Jahr 2004 hat das Land Sachsen die sächsische Schifffahrtsverordnung eingeführt aber erst nach einer weiteren Präziserung im Jahr 2014 konkret angewendet. Da die Verordnung sich auf die Verkehrsschifffahrt im Binnenland bezieht, meint sie vom Kern her eigentlich Flüsse mit einer in der Mitte befindlichen Fahrrinne. Aus diesem Grunde enthält die Verordnung den §7 Absatz 3, der die Nutzung von Kites untersagt, da ein im Wasser liegender Kite aufgrund seiner i.d.R. 21 m langen Leinen theoretisch eine Gefahr für heranfahrende Schiffe darstellen könnte. Gemäß eines beliebten aber unbelegten Arguments könnten sich diese zum Beispiel in der Schiffsschraube verfangen und dies zu Schäden am Schiff führen. Aufgrund dieses allerdings nicht erwiesenen Gefahrenpotenzials ist zum Beispiel das Kiteverbot in der hessischen Schifffahrtsverordnung zumindest für den Rhein gestrichen worden.
Das Land Sachsen hat das Gesetz inkl. Kiteverbot aber nicht nur auf Flüsse sondern auf sämtliche Seen angewendet und diese somit zu Wasserstraßen erklärt. In diesem Zusammenhang wird weiterhin §7 Absatz 3 als Argument für ein Kiteverbot genannt, obwohl hier der Sachverhalt eines schmalen Flusses mit einer Fahrrinne nicht mehr gegeben ist. Ferner wird nun von einer „gefahrengeneigten“ Sportart gesprochen, die aber nun nicht den Schutz der Schiffe sondern der/des Sporttreibenden selbst und dritte Instanzen wie z.B. andere SportlerInnen oder Badegäste etc. meint.
Wenngleich diese Argumentation fehlerhaft ist, sahen die SportlerInnen des Neuseenlandes vorerst keine größeren Probleme oder Handlungsbedarf, da §15 der Verordnung besagt, dass man Ausnahmeregelungen in Absprache mit den Behörden des Landes erwirken kann. Entsprechende Anträge liegen ab dem Jahr 2015 für mehrere Seen des Neuseenlandes vor. Im Frühjahr 2022 ist der älteste Vorgang demnach bereits 7 Jahre alt, ohne dass sich für die Kiter irgendwelche Änderungen ergeben hätten. Zudem geht die Wasserschutzpolizeit seit 2021 vehement gegen Kitesurfer vor und ahndet jeden Verstoß mit einem Bußgeld in Höhe von 58 € inkl. höherer Wiederholungstäterstrafen etc. – der Sport ist seitdem de facto kriminalisiert. Manch Wassersportler ist aus diesem Grund seit dem Jahr 2020 auf das sogenannte Wingfoilen umgestiegen. Dieser dem Windsurfen ähnliche Sport zeichnet sich dadurch aus, dass ein Kite-ähnliches aufblasbares Segel ohne 21 m lange Leinen direkt in der Hand gehalten wird, so dass man hier vom Windsurfen ohne Mast sprechen kann. Interessanterweise werden seit dem Jahr 2021 nun auch Wingfoiler mit der Berufung auf §7 Absatz 3 von der Polizei abgemahnt, was in keinerlei Weise noch mehr nachvollziehbar ist, da es sich hier nicht um einen Kite handelt.Aufgrund immenser Proteste im Mai 2022 wurde die Landesdirektion Sachsen aufgefordert, zu diesen aus Sicht der WassersportlerInnen völlig willkürlichen Entscheidungen Stellung zu beziehen. Diese verwies wieder auf §7 Absatz 3 mit der Begründung, dass das Wingfoilen dem Kitesurfen als „gefahrengeneigte“ Sportart gleichgestellt sei.
Diese nun quasi doppelt falsche Aussage führte zu weiteren kritischen Nachfragen inbesondere der Tatsache, dass seitens der nationalen und internationalen Dachverbände das Wingfoilen dem Windsurfen gleichgesetzt ist inkl. des sogenannten Gefahrenpotenzials etc. Daraufhin wurde innerhalb kürzester Zeit eine neue und völlig anders lautende Aussage getätigt: Seit Ende Mai 2022 wird nun verkündet, dass Wings genutzt werden dürfen aber nun das Foil als Anbauteil eines klassischen Surfboards Gegenstand einer Abmahnung ist.
Diese Argumentation bezieht sich auf §7 Absatz 1 und 2, in denen eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf dem Gewässer zulässig ist und aufgrund eines Foils diese nun rein theoretisch mit bis zu 50 km/h um 20 km/h überschritten wäre. Dies ist insofern fragwürdig, da insbesondere die Wingfoiler die langsamsten WassersportlerInnen sind. In der Regel werden hier Geschwindigkeiten von gerade mal bis zu 20 km/h erreicht. Würde diese Regelung nun so Anwendung finden, dürfte weder beim Wing‑, noch beim Wind- oder beim Kitesurfen noch beim Segeln ein Foil genutzt werden. Dies ist wiederum problematisch bzw. sachlich falsch, da die theoretische Höchstgeschwindigkeit je nach Sportart durch den Einsatz einer konventionellen Finne erreicht wird und man auf Basis dieser Argumentation nun jedweden Wassersport verbieten müsste. Dessen ungeachtet müsste man auf Basis dieser Logik im Straßenverkehr die Nutzung von Kraftfahrzeugen verbieten, die in der Lage sind, die in Deutschland gängige Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h in geschlossenen Ortschaften zu überschreiten, womit im Jahr 2022 jedes Fahrzeug betroffen wäre.
Es bleibt außerdem festzuhalten, dass es in mehr als 20 Jahren Wassersport im Neuseenland zu keinerlei Problemen oder Schäden gekommen ist – weder für die beteiligten WassersportlerInnen noch für Schiffe, die bisher wenig oder gar nicht auf den Gewässern gesehen worden sind und um die es laut §7 Ansatz 3 ja eigentlich geht.
Völlig unabhängig von der oben beschrieben völlig wirren und offensichtlich willkürlichen Umsetzung eines offenkundig nicht durchdachten und praxisfernen Gesetzes ergeben sich erhebliche Probleme für die sächsische Region: Bei den oben genannten Sportarten handelt es sich nicht um temporäre Trends sondern um olympische Disziplinen, für die in der sächsischen Szene bereits regelmäßig Talente gesichetet wurden und werden. Des Weiteren weist der leipziger Raum durch die Möglichkeit des Wassersports in direkter Nähe ein erhebliches Alleinstellungsmerkmal auf, das Leipzig und dessen Umfeld als Wohnort und als Erholungsgebiet für Urlauber attraktiv macht. Interessanterweise werden die oben angesprochenen Sportarten in Werbemaßnahmen der Stadt Leipzig und Umgebung regelmäßig genutzt, obwohl diese seitens der Behörden bereits kriminalisiert worden sind. Außerdem ist es mehr als offensichtlich, dass das aktuelle Wassersportgeschehen für Besucher des Sees reizvoll ist und vom Uferrand häufig sogar staunend beobachtet wird. Insbesondere Gastronomen berichten, dass es explizit erwünscht ist, WassersportlerInnen in der Nähe zu haben, da diese als Publikumsmagnet wirken. Letztlich würde sich das Land Sachsen bei der Fortführung seines Kurses selbst schaden, indem es ein Image der Rückschrittlichkeit, Unsachlichkeit und somit letztlich behördlicher Willkür aufbaut.
Sollte sich an der für WassersportlerInnen völlig inakzeptablen Situation nichts ändern, werden diese sich gezwungen sehen, rechtliche Schritte einzuleiten so wie es bereits in der Lausitz geschehen ist. Unabhängig davon kann aufgrund der gesamten Mängellage erwogen werden, eine generelle Feststellungsklage zur Schifffahrtsverordnung einzureichen. Die möglichen Optionen werden aktuell in den entsprechenden Kreisen und vermehrt in der medialen Öffentlichkeit diskutiert.