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Die säch­si­sche Schiff­fahrts­ver­ord­nung – Cha­os und Will­kür mit Ansa­ge (Alex­an­der Carôt – 28.5.2022)

Vor dem Jahr 2014 muss­te man für die Nut­zung der Seen des leip­zi­ger Neu­se­en­lan­des durch motor­be­trie­be­ne Boo­te eine extra Geneh­mi­gung bean­tra­gen. Jed­we­de Form von wind­be­trie­be­ner Sport­art war hin­ge­gen voll­kom­men geneh­mi­gungs­frei. Mitt­ler­wei­le kann man in bestimm­ten Berei­che von der gegen­tei­li­gen Situa­ti­on spre­chen.

Im Jahr 2004 hat das Land Sach­sen die säch­si­sche Schiff­fahrts­ver­ord­nung ein­ge­führt aber erst nach einer wei­te­ren Prä­zi­se­rung im Jahr 2014 kon­kret ange­wen­det. Da die Ver­ord­nung sich auf die Ver­kehrs­schiff­fahrt im Bin­nen­land bezieht, meint sie vom Kern her eigent­lich Flüs­se mit einer in der Mit­te befind­li­chen Fahr­rin­ne. Aus die­sem Grun­de ent­hält die Ver­ord­nung den §7 Absatz 3, der die Nut­zung von Kites unter­sagt, da ein im Was­ser lie­gen­der Kite auf­grund sei­ner i.d.R. 21 m lan­gen Lei­nen theo­re­tisch eine Gefahr für her­an­fah­ren­de Schif­fe dar­stel­len könn­te. Gemäß eines belieb­ten aber unbe­leg­ten Argu­ments könn­ten sich die­se zum Bei­spiel in der Schiffs­schrau­be ver­fan­gen und dies zu Schä­den am Schiff füh­ren. Auf­grund die­ses aller­dings nicht erwie­se­nen Gefah­ren­po­ten­zi­als ist zum Bei­spiel das Kite­ver­bot in der hes­si­schen Schiff­fahrts­ver­ord­nung zumin­dest für den Rhein gestri­chen wor­den.

Das Land Sach­sen hat das Gesetz inkl. Kite­ver­bot aber nicht nur auf Flüs­se son­dern auf sämt­li­che Seen ange­wen­det und die­se somit zu Was­ser­stra­ßen erklärt. In die­sem Zusam­men­hang wird wei­ter­hin §7 Absatz 3 als Argu­ment für ein Kite­ver­bot genannt, obwohl hier der Sach­ver­halt eines schma­len Flus­ses mit einer Fahr­rin­ne nicht mehr gege­ben ist. Fer­ner wird nun von einer „gefah­ren­ge­neig­ten“ Sport­art gespro­chen, die aber nun nicht den Schutz der Schif­fe son­dern der/des Sport­trei­ben­den selbst und drit­te Instan­zen wie z.B. ande­re Sport­le­rIn­nen oder Bade­gäs­te etc. meint.

Wenn­gleich die­se Argu­men­ta­ti­on feh­ler­haft ist, sahen die Sport­le­rIn­nen des Neu­se­en­lan­des vor­erst kei­ne grö­ße­ren Pro­ble­me oder Hand­lungs­be­darf, da §15 der Ver­ord­nung besagt, dass man Aus­nah­me­re­ge­lun­gen in Abspra­che mit den Behör­den des Lan­des erwir­ken kann. Ent­spre­chen­de Anträ­ge lie­gen ab dem Jahr 2015 für meh­re­re Seen des Neu­se­en­lan­des vor. Im Früh­jahr 2022 ist der ältes­te Vor­gang dem­nach bereits 7 Jah­re alt, ohne dass sich für die Kiter irgend­wel­che Ände­run­gen erge­ben hät­ten. Zudem geht die Was­ser­schutz­po­li­zeit seit 2021 vehe­ment gegen Kitesur­fer vor und ahn­det jeden Ver­stoß mit einem Buß­geld in Höhe von 58 € inkl. höhe­rer Wie­der­ho­lungs­tä­ter­stra­fen etc. – der Sport ist seit­dem de fac­to kri­mi­na­li­siert. Manch Was­ser­sport­ler ist aus die­sem Grund seit dem Jahr 2020 auf das soge­nann­te Wing­foi­len umge­stie­gen. Die­ser dem Wind­sur­fen ähn­li­che Sport zeich­net sich dadurch aus, dass ein Kite-ähn­li­ches auf­blas­ba­res Segel ohne 21 m lan­ge Lei­nen direkt in der Hand gehal­ten wird, so dass man hier vom Wind­sur­fen ohne Mast spre­chen kann. Inter­es­san­ter­wei­se wer­den seit dem Jahr 2021 nun auch Wing­foi­ler mit der Beru­fung auf §7 Absatz 3 von der Poli­zei abge­mahnt, was in kei­ner­lei Wei­se noch mehr nach­voll­zieh­bar ist, da es sich hier nicht um einen Kite handelt.Aufgrund immenser Pro­tes­te im Mai 2022 wur­de die Lan­des­di­rek­ti­on Sach­sen auf­ge­for­dert, zu die­sen aus Sicht der Was­ser­sport­le­rIn­nen völ­lig will­kür­li­chen Ent­schei­dun­gen Stel­lung zu bezie­hen. Die­se ver­wies wie­der auf §7 Absatz 3 mit der Begrün­dung, dass das Wing­foi­len dem Kitesur­fen als „gefah­ren­ge­neig­te“ Sport­art gleich­ge­stellt sei.

Die­se nun qua­si dop­pelt fal­sche Aus­sa­ge führ­te zu wei­te­ren kri­ti­schen Nach­fra­gen inbe­son­de­re der Tat­sa­che, dass sei­tens der natio­na­len und inter­na­tio­na­len Dach­ver­bän­de das Wing­foi­len dem Wind­sur­fen gleich­ge­setzt ist inkl. des soge­nann­ten Gefah­ren­po­ten­zi­als etc. Dar­auf­hin wur­de inner­halb kür­zes­ter Zeit eine neue und völ­lig anders lau­ten­de Aus­sa­ge getä­tigt: Seit Ende Mai 2022 wird nun ver­kün­det, dass Wings genutzt wer­den dür­fen aber nun das Foil als Anbau­teil eines klas­si­schen Surf­boards Gegen­stand einer Abmah­nung ist. 

Die­se Argu­men­ta­ti­on bezieht sich auf §7 Absatz 1 und 2, in denen eine zuläs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit von 30 km/h auf dem Gewäs­ser zuläs­sig ist und auf­grund eines Foils die­se nun rein theo­re­tisch mit bis zu 50 km/h um 20 km/h über­schrit­ten wäre. Dies ist inso­fern frag­wür­dig, da ins­be­son­de­re die Wing­foi­ler die lang­sams­ten Was­ser­sport­le­rIn­nen sind. In der Regel wer­den hier Geschwin­dig­kei­ten von gera­de mal bis zu 20 km/h erreicht. Wür­de die­se Rege­lung nun so Anwen­dung fin­den, dürf­te weder beim Wing‑, noch beim Wind- oder beim Kitesur­fen noch beim Segeln ein Foil genutzt wer­den. Dies ist wie­der­um pro­ble­ma­tisch bzw. sach­lich falsch, da die theo­re­ti­sche Höchst­ge­schwin­dig­keit je nach Sport­art durch den Ein­satz einer kon­ven­tio­nel­len Fin­ne erreicht wird und man auf Basis die­ser Argu­men­ta­ti­on nun jed­we­den Was­ser­sport ver­bie­ten müss­te. Des­sen unge­ach­tet müss­te man auf Basis die­ser Logik im Stra­ßen­ver­kehr die Nut­zung von Kraft­fahr­zeu­gen ver­bie­ten, die in der Lage sind, die in Deutsch­land gän­gi­ge Geschwin­dig­keits­be­gren­zung von 50 km/h in geschlos­se­nen Ort­schaf­ten zu über­schrei­ten, womit im Jahr 2022 jedes Fahr­zeug betrof­fen wäre.

Es bleibt außer­dem fest­zu­hal­ten, dass es in mehr als 20 Jah­ren Was­ser­sport im Neu­se­en­land zu kei­ner­lei Pro­ble­men oder Schä­den gekom­men ist – weder für die betei­lig­ten Was­ser­sport­le­rIn­nen noch für Schif­fe, die bis­her wenig oder gar nicht auf den Gewäs­sern gese­hen wor­den sind und um die es laut §7 Ansatz 3 ja eigent­lich geht.

Völ­lig unab­hän­gig von der oben beschrie­ben völ­lig wir­ren und offen­sicht­lich will­kür­li­chen Umset­zung eines offen­kun­dig nicht durch­dach­ten und pra­xis­fer­nen Geset­zes erge­ben sich erheb­li­che Pro­ble­me für die säch­si­sche Regi­on: Bei den oben genann­ten Sport­ar­ten han­delt es sich nicht um tem­po­rä­re Trends son­dern um olym­pi­sche Dis­zi­pli­nen, für die in der säch­si­schen Sze­ne bereits regel­mä­ßig Talen­te gesi­che­tet wur­den und wer­den. Des Wei­te­ren weist der leip­zi­ger Raum durch die Mög­lich­keit des Was­ser­sports in direk­ter Nähe ein erheb­li­ches Allein­stel­lungs­merk­mal auf, das Leip­zig und des­sen Umfeld als Wohn­ort und als Erho­lungs­ge­biet für Urlau­ber attrak­tiv macht. Inter­es­san­ter­wei­se wer­den die oben ange­spro­che­nen Sport­ar­ten in Wer­be­maß­nah­men der Stadt Leip­zig und Umge­bung regel­mä­ßig genutzt, obwohl die­se sei­tens der Behör­den bereits kri­mi­na­li­siert wor­den sind. Außer­dem ist es mehr als offen­sicht­lich, dass das aktu­el­le Was­ser­sport­ge­sche­hen für Besu­cher des Sees reiz­voll ist und vom Ufer­rand häu­fig sogar stau­nend beob­ach­tet wird. Ins­be­son­de­re Gas­tro­no­men berich­ten, dass es expli­zit erwünscht ist, Was­ser­sport­le­rIn­nen in der Nähe zu haben, da die­se als Publi­kums­ma­gnet wir­ken. Letzt­lich wür­de sich das Land Sach­sen bei der Fort­füh­rung sei­nes Kur­ses selbst scha­den, indem es ein Image der Rück­schritt­lich­keit, Unsach­lich­keit und somit letzt­lich behörd­li­cher Will­kür auf­baut.

Soll­te sich an der für Was­ser­sport­le­rIn­nen völ­lig inak­zep­ta­blen Situa­ti­on nichts ändern, wer­den die­se sich gezwun­gen sehen, recht­li­che Schrit­te ein­zu­lei­ten. Unab­hän­gig davon kann auf­grund der gesam­ten Män­gel­la­ge erwo­gen wer­den, eine gene­rel­le Fest­stel­lungs­kla­ge zur Schiff­fahrts­ver­ord­nung ein­zu­rei­chen. Die mög­li­chen Optio­nen wer­den aktu­ell in den ent­spre­chen­den Krei­sen und ver­mehrt in der media­len Öffent­lich­keit dis­ku­tiert.